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Offener Brief
an den Gemeindepräsidenten und an die Mitglieder des Gemeinderates der Gemeinde Flawil
Sehr geehrter Herr Gemeindepräsident,
Sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderats
Mit diesem Schreiben möchten wir unsere Besorgnis über die finanzielle Entwicklung und die längerfristige Finanzplanung der Gemeinde Flawil zum Ausdruck bringen. Die jüngsten Ereignisse werfen ernsthafte Fragen zur Stabilität und Zukunftssicherheit der Gemeindefinanzen auf.
1. Besorgniserregende Entwicklungen
- Wechsel in der Finanzverwaltung
Innerhalb kurzer Zeit gab es zwei Wechsel auf der Position des Finanzverwalters – im September 2023 und erneut im November 2024. Dies beeinträchtigt die Kontinuität und Stabilität der Finanzführung und lässt Zweifel an der Kompetenz und der internen Organisation und Planung aufkommen. - Rücktritt der Geschäftsprüfungskommission (GPK)
Die gesamte GPK hat entschieden, nicht mehr zur Wahl für die Legislaturperiode 2025–2028 anzutreten. Ein solch geschlossener Rückzug ist aussergewöhnlich und bedarf einer nachvollziehbaren Erklärung. - Sprunghafter Anstieg der Nettoverschuldung
Während frühere Budgets eine kontrollierte Verschuldungsentwicklung mit maximal 150% zeigten, ist nun ein markanter Anstieg der Verschuldung in der langfristigen Finanzplanung erkennbar.
Diese Entwicklungen lassen erhebliche Zweifel an der finanziellen Führung der Gemeinde aufkommen. Wir fordern Sie daher auf, Verantwortung zu übernehmen und umgehend die folgenden Massnahmen zu ergreifen:
2. Unsere Forderungen
a) Sofortiger Baustopp des Marktplatzprojekts
Das über 10 Millionen Franken teure Marktplatzprojekt muss umgehend gestoppt werden, um weitere unnötige Ausgaben zu vermeiden. Uns ist bewusst, dass nicht mehr der gesamte Betrag eingespart werden kann. Dennoch lassen sich durch einen sofortigen Baustopp einige Millionen Franken vermeiden. Zusätzlich entfallen zukünftige Betriebs- und Personalkosten für ein Kulturhaus, die das Gemeindebudget zusätzlich belasten würden.
b) Anpassungen beim Turnhallenprojekt
Auch das Turnhallenprojekt Oberstufenzentrum Feld bedarf in Anbetracht des desolaten Finanzhaushaltes dringende Anpassungen. Insbesondere ist auf die unverhältnismässige und ideologisch motivierte 3-Millionen-Franken teure Eisspeicherheizung zu verzichten. Stattdessen ist der Anschluss an das Fernwärmeprojekt der Technischen Betriebe voranzutreiben. Dies führt zu erheblichen Kosteneinsparungen – und das mit höherer Effektivität und Nachhaltigkeit.
Hätte man das Projekt frühzeitig korrigiert, wären nach unserer Einschätzung mindestens 2 Millionen Franken bei der Architektur und Gebäudehülle zusätzlich einzusparen gewesen. Unklar bleibt, weshalb dieser bauliche Mehraufwand nicht in der Kostenrechnung der Eisspeicherheizung ausgewiesen wurde. Wir fordern, dass sämtliche Baukosten – insbesondere für Planung, Bewehrung, Betonarbeiten und Bodenvorbereitung – transparent ausgewiesen werden.
c) Keine Steuererhöhungen sowie drastische Sparmassnahmen
Das anhaltende strukturelle Defizit erfordert konsequente Einsparungen bei den jährlichen Ausgaben. Statt das Defizit durch Steuererhöhungen auszugleichen, fordern wir nachhaltige und sofort wirksame Sparmassnahmen einzuleiten.
Die Gemeinde muss sich dabei auf ihre notwendigen Kernaufgaben konzentrieren und nicht ideologisch motivierte, wünschbare und nicht zwingend erforderliche Projekte verfolgen. Ein effizienter Einsatz von finanziellen Mitteln und klare Prioritäten sind entscheidend, um eine langfristig stabile Finanzlage zu gewährleisten.
Besonders kritisch sehen wir die aktuelle Finanzstrategie: Im Planfinanzcontrolling, publiziert auf www.flawil.ch, sind bei einer Nettoverschuldung von 200 % ein Alarmwert und bei 250 % ein Maximalwert definiert. Die kantonale Finanzdirektorenkonferenz (FDK) sieht deutlich tiefere Schwellenwerte vor. Eine Nettoverschuldung von 150%, was der Analogie eines «Maximalwertes» der FDK entspricht, darf keinesfalls überschritten werden. Die budgetierte Nettoverschuldung von 220 % ist nicht akzeptabel und muss dringend angepasst werden. Künftig muss Flawil die allgemein anerkannten Standards strikte anwenden. Bei Abweichungen fordern wir eine nachvollziehbare Begründung und eine klare Transparenz. Im Übrigen behalten wir uns vor, die Festlegung einer maximalen Nettoverschuldung von 150% mittels Initiative dem Volk zur Abstimmung vorzulegen.
d) Erneute Volksabstimmung zum Marktplatzprojekt
Der sprunghafte Anstieg der Nettoverschuldung zwischen den Budgets 2024 und 2025 (von 150% auf 220%) stellt eine gravierende Verschlechterung der langfristigen Finanzplanung dar. Es ist unerklärlich, weshalb Sie – als Volksvertreter – dennoch behaupten, die aktuellen Investitionsprojekte würden zu keiner höheren Schuldenlast führen
Eine neue Volksabstimmung wird legitimiert durch den desolaten Finanzhaushalt und die prognostizierte hohe Verschuldung. Zudem mangelte es bisher an einer ökologisch nachhaltigen Planung, die auch den alten und wertvollen Baumbestand der Platanenallee miteinbezieht.
Die Bürgerinnen und Bürger sollen dabei zwischen folgenden Varianten wählen können:
- Umsetzung des Marktplatzprojekts wie geplant.
- Eine „Marktplatz-light-Version“ ohne Tiefgarage, mit Umnutzung des alten Feuerwehrdepots für kulturelle Veranstaltungen und dem Erhalt der Platanenallee, sowie mit unterparkierbaren Marktständen einschliesslich mindestens 70 Parkplätze.
- Beibehaltung des Marktplatzes im jetzigen Zustand.
3. Schlussfolgerung: Nachhaltigkeit für kommende Generationen
Entgegen Ihrer Darstellung im FLADE-Blatt vom 07.02.2025 befürchten wir zu Recht, dass die aktuell geplanten Investitionen in den kommenden Jahren zu einer deutlichen Verschuldung führen werden. Die langfristigen Auswirkungen müssen realistisch eingeschätzt und offen kommuniziert werden.
Hiermit fordern wir Sie auf, unsere Vorschläge ernsthaft und fair zu prüfen und der Bevölkerung von Flawil zur Abstimmung vorzulegen. Denn unter nachhaltigen Generationenprojekten verstehen wir, dass weder wir noch die zukünftigen Generationen die Last einer Überschuldung und hohen Steuern tragen müssen.
Das Bürgerkomitee, welche eine Marktplatzinitiative initiierte, hat dies erkannt und will das Marktplatzprojekt lediglich mit den Stimmberechtigten legitimieren. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung und aus diesem Grund unterstützen wir dieses Anliegen.
Auch den ökologischen Aspekten muss verstärkt Rechnung getragen werden. Damit können wir sicherstellen, dass Flawil auch zukünftig eine umweltfreundliche, attraktive Kleinstadt bleibt, die Zeichen der Zeit erkennt und in ihrer Planung gezielt umsetzt.
Für Ihre Bereitschaft zur konstruktiven Umsetzung unserer Forderungen danken wir Ihnen herzlich. Selbstverständlich sind wir auch für weiterführende Gespräche offen.
Mit freundlichen Grüssen
SVP Flawil